Schmerz trifft Psyche

Aktuelle Untersuchungen belegen, dass sich Schmerzen negativ auf die Psyche auswirken können. Dadurch eröffnen sich neue Ansätze für Diagnose und Therapie von Schmerzpatient:innen.

Eine kleine Unachtsamkeit oder der übliche Stress: Oberflächliche Verletzungen mit Messer oder Schere sind nichts Ungewöhnliches. Sofort spüren wir einen stechenden Schmerz, den wir nicht weiter beachten. Dieser erste Schmerz ist wichtig um den Körper zu alarmieren. In Folge setzt ein anhaltender „Zweitschmerz“ ein, dem jedoch auf jeden Fall Aufmerksamkeit zu schenken ist. Denn dieser Schmerz kann sich negativ auf die Psyche auswirken.

Schmerzwahrnehmung im Zeitverlauf

Je länger der Schmerz andauert, desto mehr Emotionen entwickelt der Mensch. Bereits nach kurzer Schmerzdauer werden Hirnbereiche aktiv, die für unsere Emotionen zuständig sind. Eine aktuelle Untersuchung der Technischen Universität München (TUM) ergab, dass sich Schmerzen schon nach wenigen Minuten stark auf die Psyche auswirken können.*) Diese jüngsten Erkenntnisse könnten neue Ansätze für die Diagnose und Behandlung von Schmerzpatient:innen bieten.

Wenn der Schmerz auf’s Gemüt schlägt

Auch wenn der Schmerz als unangenehm empfunden wird, ist dieser letztendlich für unser Wohlbefinden unerlässlich. Die Schmerzwahrnehmung ist zu vergleichen mit den gewohnten Empfindungen wie Hitze, Kälte oder Berührungen. Der Unterschied ist nur jener, dass es sich beim Schmerz um eine unangenehme Sinneswahrnehmung handelt. Diese ist jedoch wichtig, um unseren Körper vor Überbelastungen zu schützen.

Fasst man beispielsweise mit der Hand auf eine heiße Herdplatte, aktiviert das nicht nur die Wärmesensoren der Haut, sondern auch die Schmerzsensoren. Diese signalisieren uns, die Hand von der heißen Herdplatte zu entfernen, um schwerere Verletzungen zu vermeiden. Neben der lebenswichtigen Warnfunktion haben Schmerzen aber auch eine emotionale Dimension. Sie wirken sich auf unser Befinden bzw. unser Verhalten aus und können sich schlichtweg auf`s Gemüt schlagen. Neueste Untersuchungen der Technischen Universität München haben nun ergeben, dass dies schon nach wenigen Minuten geschehen kann. So waren die "schmerzhaften" Reize bereits nach kurzer Zeit in den emotionalen Bereichen des Gehirns messbar. Man kommt also zu der Erkenntnis, dass sich der Schmerz, wenn er über einen längeren Zeitraum anhält, offensichtlich von einem reinen Wahrnehmungsprozess zu einem mehr emotionalen Vorgang wandeln kann.**)  Oftmals auch mit Auswirkungen auf die seelische Gesundheit.

Schmerzspirale

Diese aktuellen Forschungsergebnisse sind vor allem für die Diagnose und Behandlung von chronischen Schmerzen bedeutend. Es ist demnach zu beobachten, dass bei Schmerzpatient:innen Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen wesentlich häufiger auftreten als bei Personen, die schmerzfrei sind. Schmerzpatient:innen ziehen sich auch oft aus dem sozialen Leben zurück. Was folgen kann, sind berufliche und private Probleme. Diese psychosozialen Begleiterscheinungen von Schmerzen wirken sich wiederum verstärkend auf die Schmerzerkrankung aus und es kommt zu einer sogenannten „Schmerzspirale“. Akute wie auch chronische Schmerzen erfordern oftmals eine gezielte Schmerztherapie. Neben Wärme- und Kälteanwendungen können auch Elektrotherapien und Gymnastikeinheiten zum Einsatz kommen.

Neben den medizinischen Behandlungen ist bei chronischen Schmerzen zusätzlich auch eine psychologische Herangehensweise notwendig. Patienten mit chronischen Schmerzen sollte also das Erlernen von individuellen Einflussmöglichkeiten nahegebracht werden. Ziel sollte sein, das „Passivitätsgefühl“ (Der Schmerz bestimmt mein Leben) abzulegen und ein „Aktivitätsgefühl“ (Ich kann meinen Schmerz beeinflussen) zu erlangen. Mit der „Aufmerksamkeitsfokussierung“ im Moorheilbad Harbach wird trainiert, den Fokus weg vom Schmerz zu lenken. Gute Techniken hierfür sind beispielsweise Entspannungstrainings wie Muskelentspannung, Atemtechniken oder Imaginative Verfahren. Bei sehr starken Schmerzen kann es jedoch passieren, dass das Weglenken der Aufmerksamkeit nicht mehr ausreichend ist. In solchen Fällen wird im Moorheilbad Harbach zusätzlich eine gezielte Schmerzfokussierung eingesetzt und versucht mit dem Schmerz zu arbeiten. Eine weitere Möglichkeit, um die Aufmerksamkeit vom Schmerz weg auf etwas Positives zu lenken, ist die Förderung der Selbstfürsorge. Mit Fragen wie „Was würde mir jetzt gut tun?“ und „Was brauche ich jetzt?“ kann der Schwerpunkt wieder auf die eigenen Bedürfnisse gelenkt werden.

Tipps für den Umgang mit Schmerzen

  • Nicht zu lange mit Selbstmedikation herumexperimentieren: Ein Arztbesuch ist bei starken und anhaltenden Schmerzen der sicherste Weg.
  • Ablenkung hilft: Hobbys, die hohe Konzentration erfordern wie Lesen, Malen oder das Spielen eines Musikinstrumentes lenken von den Schmerzen ab und wirken sich positiv auf die Psyche aus.
  • Sollte sich der Schmerz schon negativ auf die Psyche auswirken: Pflegen Sie Ihre Kontakte und vermeiden Sie den sozialen Rückzug. Auch Selbsthilfegruppen können helfen.
  • Unterstützung suchen: Die soziale und emotionale Unterstützung von Familie und Freunden sind wichtig für die Motivation während der Behandlungszeit.
  • Bewusst entspannen: Probieren Sie Entspannungstechniken wie Meditation, autogenes Training oder Muskelentspannung aus. In den niederösterreichischen Gesundheitsresorts finden Sie ein breites Angebot dafür.

Quellen-Angaben:
*) **) https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/kurz/article/32269/ (Stand 11.8.2015)